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Geschichte


Die Russlanddeutschen

Wer sind eigentlich die Russlanddeutschen und wie kam es dazu, dass eine sehr große Bevölkerungsgruppe in Deutschland und Russland diesen Namen trägt? 

Die ersten deutschen Siedlungen auf russischem Territorium entstanden schon im dritten Jahrhundert n. Chr. Das war damals im „Kiewer Rus" - dem ersten Staatengebilde auf russischem Territorium. Da die deutschen Siedler die Sprache ihrer slawischen Nachbarn nicht verstanden, konnten sie mit ihnen auch nicht sprechen. Daher nannten die Russen die Neusiedler „Nemye" - die Stummen. Daraus entstand dann das Wort „Nemzy" - die Deutschen.


Kiewer Rus um das Jahr 1000
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Nach der Einführung des Christentums im Kiewer Rus im Jahre 988 kamen immer mehr Deutsche in das ostslawische Großreich und seine Umgebung.

Vom 11. Jahrhundert an begann eine starke Auswanderung aus Deutschland nach dem Baltikum - dem heutigen Litauen, Lettland und Estland. 

Zur Zeit der Herrschaft Peters I., des Großen im 17. Jahrhundert begann eine organisierte Einwanderung der Deutschen nach Russland. Der russische Zar war ein großer Reformator, und er öffnete für Russland das Tor nach Europa. Er wollte sein Land nach westlichem Muster umgestalten. Dazu brauchte er aber deutsche Wissenschaftler, Baumeister, Ingenieure, Künstler, Ärzte, Pädagogen, Militärs, Leute aus dem Bildungswesen und auch Handwerker. In einem Manifest rief er Ausländer, besonders Deutsche, auf, in sein Land zu kommen.

Jedoch eine massenhafte Auswanderung aus Deutschland nach Russland begann erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach dem Manifest von Katharina II., die Große, vom 22. Juli 1763 in dem den Siedlern Steuerfreiheit, Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst und weitere Freiheiten versprochen wurden. 

Russland hatte damals viel Land und zu wenig Bevölkerung, die dieses Land urbar machen könnten. Außerdem brauchte man in den unbewohnten Gebieten Einwohner, die diese Gebiete vor den Nomadenvölkern schützen würden. Diesmal waren die meisten Auswanderer Bauern, und sie siedelten sich an der Unteren Wolga an. So entstanden viele deutschen Kolonien dort. 


Auswanderung von Deutschen nach Russland
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Die deutschen Einwanderungsgruppen waren sehr unterschiedlich, denn das Deutschland wie wir es heute kennen, gab es im 18. Jahrhundert noch nicht. Die Deutschen Einwanderer waren geprägt von unterschiedlichen Konfessionen, Brauchtümern und auch die Sprache unterschied sich teilweise sehr. Die Einwanderer siedelten sich in kompakten Siedlungen unter ihresgleichen an und lebten sehr unterschiedlich in allen Teilen Russlands. 

Der Beitrag der Russlanddeutschen zur Entwicklung der Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung, Baukunst, Medizin, Bildungswesen, Literatur und anderen Bereichen in Russland war sehr groß und wird auch heute noch sehr geschätzt. Jedoch wurde Russland für sie nie zur zweiten Heimat. Sie waren immer Fremde. 

Die Lage der Russlanddeutschen wurde besonders unerträglich für sie während der kommunistischen Diktatur. Als Deutsche mussten sie besonders viel Leid ertragen. Insbesondere dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde die Wolgadeutsche Republik liquidiert und alle Russlanddeutschen aus dem europäischen Teil entsprechend dem Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 nach Sibirien und Zentralasien deportiert. Während dieser Zwangsumsiedlung verhungerten Hunderttausende, erfroren oder wurden von der NKWD (Geheimdienst) erschossen. 



Zwangsumsiedlung von Russlanddeutschen
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Aber auch das Kriegsende am 8. Mai 1945 brachte den Russlanddeutschen keine Erleichterung. Laut dem Erlass vom 26. November 1948 wurden die Russlanddeutschen auf ewig verbannt. Sie waren nun für die ganze Welt totgeschwiegen. 

Auch nach dem Tod von Josef Stalin kam für uns nicht die erhoffte Freiheit, sondern nur eine geringe Erleichterung. Bis zum Ende der 1960er Jahre durften die Russlanddeutschen, die in Kolchosen und Sowchosen (landwirtschaftlicher Großbetriebe) Ihre Arbeit verrichteten, den zugewiesenen Wohnort nicht verlassen, denn Sie hatten keine Pässe, die für einen Umzug zwingend notwendig waren. Auch Lohn erhielten sie nicht – stattdessen gab es Eintragungen im Arbeitsbuch die sogenannten Arbeitstage „Trudodni“.

Bis zur Perestrojka erlebten die Russlanddeutschen auf dem gesamten Gebiet der Sowjetunion Diskriminierungen und Einschränkungen. Man darf nicht vergessen, dass die Russlanddeutschen, nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und Stalins Tod immer noch nicht in Ihre ehemaligen Siedlungsgebiete zurückkehren durften und bis heute für die damalige Enteignung nicht entschädigt wurden. 

Ende der 1980er Jahre wurde der Verein „Wiedergeburt“ gegründet, der sich für die Rechte der Russlanddeutschen in der Sowjetunion und für die Wiederherstellung der Wolgadeutschen Republik einsetzte. Alle diese Versuche scheiterten jedoch an der Regierung in Moskau. Sogar der Einsatz Deutschlands mit finanzieller Unterstützung für die Wiederherstellung der Wolgadeutschen Republik, scheiterte auch unter Präsident Jelzin. 

Und die Proteste der russischen Bevölkerung in der ehemaligen Wolgadeutschen Republik begruben die letzte Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat. Somit beschlossen Millionen Russlanddeutsche sich auf den Weg zu machen. Auf die Einladung Deutschlands hin, in das Land ihrer Urväter - nach Deutschland.